Bratislava Symphony Orchestra, Jubiläumskonzert Böhse Onkelz – 06.05.2016, Philharhomie Essen

Eigentlich hat mich das Event gar nicht so sehr interessiert. Also eigentlich überhaupt nicht. Ich dachte schon, dass es ein ganz besonderer Abend wird, aber dadurch, dass ich mit klassischer Musik weniger als nichts anfangen kann, eben für mich nicht besonders interessant.

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt …

Nachdem ich gesehen habe, wer aus dem Forum alles vertreten sein würde war ich schon ein wenig am Grübeln, ob ich nicht doch noch hinfahren sollte. Die Entscheidung wurde mir dann von FaPi abgenommen, der mich am Tag des Restkarten-Verkaufs (den ich verschlafen habe – also den Verkauf, nicht den ganzen Tag) informierte, eine Karte für mich erstanden zu haben. Hatte ich immerhin noch eine Woche Zeit um Anreise und passende Kleidung zu organisieren.

An besagtem Freitag war es dann soweit. Die feine Garderobe war gepackt und Engelchen samt Schwester sammelten mich in Frankfurt ein. Die Reise nach Essen war kurzweilig, die himmlischen Geschwister ein perfekt eingespieltes Team. Vor Ort werden wir bereits von Lily und allen anderen außer Knuffi und ihrem Bändiger empfangen. Schnell einchecken und dann ab aufs Zimmer. Kurze Kriegsbesprechung mit Lily – bereits umziehen oder nicht? Wir haben noch etwa zwei Stunden Zeit, ich entscheide mich, die Transformation hinter mich zu bringen, Lily möchte den Moment noch ein wenig hinauszögern.

Nachdem ich mich verwandelt habe begeben wir uns nach unten zu den anderen, welche sich ebenfalls bereits in Schale geworfen haben. Während Lily wieder kehrt macht, um sich ebenfalls zu wandeln schmieden wir die Pläne für den weiteren Abend. Kurz vor Abreise eile ich noch einmal auf das Zimmer (ok, von eilen kann in diesen Schuhen keine Rede sein). Auf dem Weg zurück in die Lobby treffen Lily und ich einen älteren Herrn im Aufzug. Interessiert fragt er uns, ob wir zum Fußball gingen. Wir schauen uns verwirrt an, zeigen auf unsere Abendkleider. „So gehen wir bestimmt nicht zum Fußball.“ Das Interesse des Herren bleibt bestehen und auf seine Frage, wohin es geht antworten wir wahrheitsgemäß mit „In die Philharmonie. Da spielt heute das Bratislava Symphony Orchestra.“ Der Mann ist ganz begeistert, die seien nämlich wirklich gut. Wer denn heute der Dirigent sei. WTF? Sowas weiß man? Ich kann mit der Antwort leider nicht dienen aber glücklicherweise ist der Aufzug nun auch in der Lobby angekommen. Auf dem Weg nach draußen schwärmt der Herr mir noch von einem Stück vor, welches er mal in der Alten Oper in Frankfurt gesehen haben will (welches ich natürlich nicht kenne – lass ich mir aber nicht anmerken).

Geschniegelt und gestriegelt machen wir uns auf den Weg zur Philharmonie, Noreia ist so lieb und fährt uns alle. Dort angekommen lungern wir kurz vor dem Sheraton herum, als von einem der Fenster oben ein Ruf erschallt. Tatsächlich sind dort Nine und ihr Bruder Rico am Fenster. Wir winken uns zu und Alex fragt mich charmant „Hast du grade dem Jo gewunken? Bist du bescheuert?“. Da das rumstehen vor Hotels irgendwie komisch ist, wird der Vorschlag laut, sich in der Lobby noch ein Bier zu genehmigen. Ich will grade einwenden, dass die uns bestimmt gar nicht reinlassen, da fällt mir auf, dass wir fürs Sheraton ja heute ausnahmsweise absolut passend gekleidet sind. Gewöhn ich mich heute Abend vermutlich nicht mehr dran.

Lange müssen wir nicht warten und Nine, Jo und Rico stossen zu uns. Damit ist die Gruppe quasi komplett. So langsam fühle ich mich unwohl in der Lobby dieses feinen Hotels und verlasse diese dankbar mit ein paar Rauchern. Auf dem Weg nach draußen fällt mir ein großer Bodyguard auf und ein kleiner Typ daneben. Als ich mich draußen wundere, wo denn der Rest bleibt, werde ich aufgeklärt, dass die noch Fotos mit Stephan machen. Stephan? Verwirrt werfe ich noch einen Blick in die Lobby. Ach schau. Der „kleine Typ“ ist tatsächlich Stephan. Hab ich gar nicht erkannt in seinen feinen Klamotten und mit der Sonnenbrille. Ich denke, es lag am Dutt.

Eine ältere Dame in Begleitung eines älteren Herren spricht mich an. Ob ich ihr sagen könne, wer denn heute spielt. Kann ich. „Das Bratislava Symphony Orchestra.“ „Ah wie schön!“ „Ja, die spielen Songs der Böhsen Onkelz.“ „Oh … das klingt ja …. interessant.“ Sie versucht zu lächeln. Klappt auch einigermaßen überzeugend. Dann begibt sie sich ins Hotel.

So langsam wird es Zeit, die Philharmonie zu stürmen und drinnen können wir auch Jura und Bambi entdecken. Bambi trägt ein grandioses „Danke für nichts“-Kleid, der Hammer. Und auch Juras „BO“-Krawatte kann einiges. Lily und ich sitzen auf dem zweiten Balkon, quasi gegenüber von Knuffi und ihrem Bändiger. Nachdem wir unsere Plätze eingenommen haben suchen wir den Saal nach unseren Freunden ab. Schnell entdecken wir Micky, Alex, Noreia und den Kanzler auf dem ersten Balkon uns gegenüber. Auch Hutze im Chor können wir ausmachen, Firma, welcher ebenfalls im Chor sitz kann ich allerdings noch nicht erblicken. Jo, Nine und Rico sitzen mittig unter uns und Henkka, Engelchen und ihre Schwester haben mit ihren Plätzen den Jackpot des Abends. Sie sitzen nur wenige Reihen vor den Plätzen welche gleich die Onkelz einnehmen werden. Henkka darf den Abend sogar direkt vor Philip Eschenbach verbringen, ich glaube Lily hätte mehr als gerne mit ihm getauscht. Muss aber weiterhin mit mir vorlieb nehmen.

Ich lasse meine Blicke schweifen und finde es total schräg diese ganzen Onkelz-Fans in diesen feinen Klamotten zu sehen. Sehr viele haben sich an den Dresscode gehalten, der feine Anzug an vielen Stellen durch ein Onkelz-Käppi individualisiert, einige trugen ihre Onkelz-Shirts unter den Hemden und öffnen diese nun. Aber alles in allem ist es ein wirklich festlicher und dennoch irgendwie onkelig-angehauchter Anblick. Als die Band den Saal betritt und in der letzten Reihe Platz nimmt geht ein Jubel durch die Reihen. Kurz darauf beginnt das magische Theater.

Ich hatte ja eigentlich damit gerechnet, dass mich die klassische Darbietung an sich eher langweilen würde. Falsch gedacht. Zunächst mache ich mir nur einen Spaß daraus, die Lieder zu erkennen. Das Album hatte ich ja nicht gehört bzw nur einmal flüchtig reingehört. Ich bin erstaunt wie gut man raushören kann, um welches Stück es sich handelt und erwische mich, wie ich mit dem Kopf mitwackel und dem Fuß mitwippe. Ein Blick zu Hutze zeigt, ich bin nicht alleine. Auch er groovt in seinem Sitz ordentlich mit. Ich lasse meinen Blick schweifen und bin beeindruckt. Alle sitzen still da und lauschen gebannt den Klängen des Orchesters. Langsam wird es mir unheimlich, doch nach dem ersten Lied ertönt es dann vom oberen Rang „Onkelz für immer!“. Ah gut, ich bin doch unter meines Gleichen. „Macht für den der sie nicht will“ haut mich total um. Ich liebe den Song eh aber was das Orchester daraus gemacht hat, der Wahnsinn. Zurecht folgt danach ein „Oh, wie ist das schön“. Schön unpassend in diesem Ambiente aber so schön passend zur Gesellschaft. Es macht Spaß, fein UND onkelig zu sein. Man sieht mehr und mehr Fans heimlich die Lieder mitmurmeln. Vor Kirche tönt noch ein „Onkelz ich liebe dich!“ aus Richtung Chor und dann erfüllen dunkle mächtige Töne den Raum. Das Lied verursacht in der Orchesterversion Gänsehaut. Bei „Nichts ist für die Ewigkeit“ fällt es dann schwer, brav zu bleiben. Beim letzten Refrain verlieren wir dann kurz die Fassung, es wird mitgeklatscht und selbstverständlich wird auch „warum es Böhse Onkelz gibt“ mitgesungen. Es folgt ein erster vorsichtiger Ruf nach „Mexico“. Nach „Nur die Besten sterben jung“ gibt es Standing Ovations und einen weiteren „Oh, wie ist das schön“-Gesang und dann ist Pause. Auf wackeligen Beinen und meine Schuhe verfluchend machen wir uns auf den Weg nach unten. Auf dem Raucherbalkon erspähen wir Knuffi und ein paar weitere aus der Truppe und auch Mari von den Vagabundos entdecken wir. Haben wir sie auf der W-Tour doch so in unser Herz geschlossen ist die Freude über das unerwartet schnelle Wiedersehen umso größer. Doch jede Pause geht einmal vorbei und so begeben wir uns kurz darauf auch wieder auf unsere Plätze. Der arme Gonzo wird auf dem Weg zu dem Seinen von vielen Fans belagert, gibt Autogramme, macht Fotos und kommt kaum voran. Wir sichten nun auch Barish neben Mari im hinteren Block.

Das Orchester legt wieder los und Lieder wie „Bin ich nur glücklich, wenn es schmerzt“, „Koma“ und „Der Himmel kann warten“ zaubern eine Gänsehaut nach der anderen. Es herrscht wieder andächtiges Schweigen, hier und da sieht man wieder Fans die Texte mitmurmeln und ab und an wird das Murmeln auch mal lauter. Bei „Wir ham noch lange nicht genug“ ist es dann endgültig vorbei mit der Contenance. Wir alle stehen, klatschen und singen mit. Die Akustik im Saal ist gigantisch und so klingt der lauteste Chor der Welt noch voluminöser als sonst. Es ist unbeschreiblich und lässt sich auf dem Video auch kaum einfangen, wie unfassbar geil das einfach klingt. Unpackbar. Der Jubel und der Applaus nach dem Lied sind ohrenbetäubend. Lily klatscht so enthusiastisch mit, dass sie einen Fingernagel verliert. Die Menge schreit nach „ZUGABE!“. Es folgt als Abschluss „Erinnerungen“. Man merkt die Verunsicherung. Ist es ok, weiterhin mitzusingen? Immer wieder der Blick zu den Onkelz. Gonzo steht auf und klatscht. Das ist der Startschuss. Der Refrain wird vom ganzen Saal in voller Inbrunst mitgesungen. Zur Strophe versuchen wir uns wieder zu benehmen. Doch der zweite Refrain reißt wieder alle mit, es wird gesungen und geklatscht. Der Dirigent ist nur am Grinsen, das Orchester freut sich sichtlich über diesen etwas anderen klassischen Abend. Das erleben die wahrscheinlich auch nicht alle Tage.

Nach dem Lied begeben sich die vier Jungs, deren gemeinsamen Geburtstag wir heute hier feiern nach vorne. Gonzo hält eine kurze Ansprache, der Dirigent und das Orchester bekommen Blumen und der rythmische Ruf nach „Mexico“ lässt sich nun auch nicht mehr stoppen. Und dann folgt sie ganz unerwartet. Die Zugabe. Nachdem die Onkelz ihre Plätze wieder eingenommen haben, stimmt der Dirigent noch ein weiteres Mal „Wir ham noch lange nicht genug an“. Frenetischer Jubel im Saal. Diesmal ist klar, es wird von Anfang bis Ende mitgesungen und mitgeklatscht, es gibt kaum mehr einen im Saal, der noch sitzt. Der Dirigent nimmt uns mit in seine Routine auf, gibt uns mit dem Stab den Einsatz. Kevin genießt das gesamte Spektakel sichtlich, ist nur am feiern und rumblödeln, gestikuliert wild mit und singt und strahlt. Ihm entwischt sogar sein vertrautes „Jaha!“. Es ist einfach herrlich mitanzusehen.

Leider ist der Zauber nun vorbei und wir begeben uns zunächst noch einmal zum Balkon. Dort treffen wir wieder auf Mari und endlich auch auf Barish und können ein kurzes Pläuschen halten. Lily entdeckt Philip und kann nun auch endlich ein paar Worte mit ihm wechseln. Ein mir unbekannter Mann gesellt sich zu uns und ich frage ihn Unschuldig, ob er seine „Kette“ (All-Area-Ausweiß) gegen meinen Button tauscht, den Noreia extra für uns hat anfertigen lassen. Immerhin tragen beide Schmuckstücke das gleiche Logo. Es stellt sich heraus, dass der gute Mann für den Merch der Onkelz verantwortlich ist und er findet, der Button ist eine gute Idee. Klar ist er das. Er sollte onkelig sein aber dennoch dem Anlass entsprechend. Wir lassen ihm auch gleich noch unsere Merch-Idee von den Damenslips mit auf die Innenseite gedruckten Motiven der einzelnen Onkelz da. Mit dem Hinweis die Auflage für Stephan-Slips vielleicht gleich etwas höher anzusetzen. Ich meine hey, Rammstein haben Dildos im Programm.

Da die anderen bereits im Hotel sind reißen Lily, Knuffi, ihr Bändiger, Engelchen samt Schwester und ich uns schweren Herzens von Mari und Barish los und machen uns auf den Weg nach unten. Nicht jedoch ohne uns kurz von der Traube Menschen ablenken zu lassen. Mal sehen, wen die da alle so umringen. Achso, ist nur Stephan. Den kennen wir ja schon. Also weiter gehts nach unten. Vor der Philharmonie wartet bereits Firma auf uns und vor dem Sheraton erblicken wir noch Nine, Jo und Rico, welche heute Abend die Ehre haben, an der Aftershow-Party teilzunehmen. Da uns unsere Füße umbringen entlasten wir die selbigen mal eben an der Bordsteinkante – sehr zur Belustigung der anwesenden Männer. Leider müssen wir uns nun auch von den drei VIPs verabschieden und steigen dann in ein Taxi, welches uns am Hotel absetzt. Dort angekommen wird erst mal das Zimmer gestürmt und die Verkleidung gegen normale Klamotten getauscht. Der Rest des Abends klingt gemütlich in der Hotel-Lobby aus.

Ich bin im Nachhinein sehr sehr sehr froh darüber, dass FaPi mich mit einem Ticket versorgt hat. Ich hätte mich mehr als geärgert, diesen fantastischen Abend zu verpassen. Wie sich alle in Schale geworfen haben, wie schick wir alle aussahen. Und wie gut sich alle benommen haben, aber am Ende waren wir doch so, wie wir sind. Es war einfach einmalig und so typisch Onkelz – auch wenn das für manch einen komisch klingen mag.

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