Böhse Onkelz – 11.06.2015, Secret Show in Karlsruhe

In letzter Zeit stehe ich ja nicht so sehr auf den Tag des Schutzgeistes aber diese Geschichte beginnt an einem Dienstag. Generell scheinen Geschichten nun Dienstags zu beginnen oder auch zu enden.

An besagtem Dienstag rufe ich also meine Mails ab und finde eine von Dennis auf meiner Onkelz-Adresse. Ich musste die Mail zwei Mal lesen, um sie zu verstehen. Beim ersten Lesen dachte ich nur „Onkelz?“ „Secret Show“ „what the fuck??“. Nach einem kurzen Moment des Setzen Lassens und des Verstehens drehe ich fast durch. Auf meinem Handy befindet sich tatsächlich eine Einladung zu einer ominösen Secret Show. Der Onkelz. In zwei Tagen. Viele Infos gibt es nicht, im Prinzip nur ein wann und wo und die Bitte nach dem Mitteilen meiner Begleitperson. Und der Hinweis, dass alles streng geheim ist und man niemandem etwas sagen darf. Das gestaltet die Auswahl der Begleitung etwas schwierig. Es müsste jemand sein, den ich mitnehmen will, der Bock darauf hat und der es auch möglich machen kann/wird. Die Wahl konnte nur auf Oli fallen. Meine Frage, ob er Bock hat mit mir nach Karlsruhe zu fahren, weil dort so eine kleine Kapelle aus Frankfurt eine Generalprobe hat bei der ich plus eins auf der Gästeliste stehen beantwortet er wie erwartet und ohne Umschweife mit „Ja klar bin ich dabei“.

Du stellst komische Fragen

FaPi

Ich frage mich, wer noch mit einer Einladung bedacht wurde und wende mich scheinheilig an FaPi. Durch geschicktes Fragen kann ich erahnen, was bzw wer mich außer den vier Jungs aus Frankfurt noch erwarten wird.

Am Donnerstag darf ich dann früher Feierabend machen, treffe mich mit Oli und los geht die Fahrt. Wir kommen recht gut durch und auch die Location ist schnell gefunden. Von weitem sehe ich auch schon Jo mit seiner Schwester dort stehen und breit grinsend begrüße ich die beiden und stelle mein Mitbringsel vor. So langsam sammeln sich immer mehr Menschen vor dem Gebäude, wir lernen noch ein paar weitere Foren-User kennen und plötzlich stehen Firma und Trisa vor uns. Da keiner von uns mit den beiden gerechnet hat ist die Freude umso größer. Nun dauert es nicht mehr lange und FaPi fährt hupend an uns vorbei um sich dann zusammen mit Kathleen zu uns zu gesellen. Mittlerweile sind auch ein paar wichtige Leute aufgetaucht, die uns eine kurze Einweisung in das bevorstehende Event geben. Habe ich mich auf der Fahrt noch mit Oli darüber unterhalten, ob Handys wohl erlaubt sein werden erfahren wir nun, dass dem nicht so ist. Alle Handys müssen abgegeben oder in den Autos verstaut werden. Außerdem muss eine Geheimhaltungserklärung unterschrieben werden. Und die wichtigste Regel: „Wer die weiße Linie übertritt, für den ist der Hockenheimring Geschichte“. Ich spüre eine irrationale Angst vor dieser ominösen weißen Linie in mir aufsteigen.

Wir bringen also unsere Handys ins Auto und dann ist es auch schon so weit. In kleinen Gruppen werden wir in das Gebäude gelassen, unterschreiben die Erklärung und betreten den Raum in dem die Show stattfinden soll. Ganz so reibungslos verläuft das Ganze für mich jedoch nicht. Die Dame mit der Gästeliste lässt sich meinen Namen geben, sucht die Liste ab, schaut hoch und sagt „hm nee, stehst hier nicht drauf“. Mir wird heiß und kalt. „Wie heißt denn deine Begleitung?“ „Oli“ …. „Hm ja, der steht drauf“. Ich werde nervöser. Dann die Erleichterung. „Ach hier! Warst falsch eingeordnet. Viel Spaß!“.

Die Instrumente stehen aufgebaut auf dem Boden und ich erblicke sogleich die weiße Linie. Respektvoll halte ich Abstand und kaufe mir erst mal ein Wasser an der kleinen Bar. In der Zwischenzeit entdeckt Oli unter den rund 80 Leuten einen alten Arbeitskollegen, den er seit neun Jahren nicht gesehen hat. So klein kann die Welt manchmal sein. Es stellt sich heraus, dass er und sein Kumpel mit dem Bus angereist sind und so erklären wir uns bereit, die beiden im Auto mit zurück nach Frankfurt zu nehmen.

Wir stehen noch eine ganze Weile in dem Raum rum, machen Witze über die weiße Linie (aber immer noch respektvoll) und nachdem Fotos verboten sind, spekulieren wir darüber, ob Gerichtszeichnungen wohl erlaubt wären. Jo zieht in Erwägung seine visuellen Eindrücke später auf Papier festzuhalten- auch ein Youtube-Video „So habe ich den Abend gesehen“ ist geplant – und dann geht es plötzlich los. Für das was dann folgte fehlen mir fast die Worte.

Ich habe mit 13 Jahren angefangen, die Onkelz zu hören, heute bin ich 34. Die Schwarze und die Weiße waren meine ersten Alben. Seit meinem achten Lebensjahr bin ich bei den Pfadfindern. Die Onkelz und die Pfadfinder waren die beiden moralischen Grundpfeiler in meinem Leben; während die Pfadfinder mich in erster Linie gelehrt haben, wie man sich seinen Mitmenschen gegenüber verhalten sollte, haben die Onkelz mich vor allem gelehrt, wie ich mich selbst und meinen Weg finde. Natürlich haben mich beide beides gelehrt, aber so waren die Schwerpunkte eben verteilt.

Wie vielen anderen auch haben die Onkelz mir schon unzählige Male aus schweren Zeiten geholfen und mich in guten begleitet; sei es der erste Liebeskummer, der Verlust eines Freundes oder einer Freundin, unzählige durchzechte Nächte, sie haben über Selbstzweifel hinweggeholfen, mich dazu gebracht mich und meine Taten zu reflektieren … sie waren wie in einem ihrer Lieder versprochen immer für mich da.

Es fällt mir schwer zu beschreiben, was diese Band mir bedeutet und was sie für eine Wirkung auf mich hat. Das muss ich aber auch gar nicht, denn ich weiß, es gibt viele da draußen, die das Gleiche empfinden.

Die Band betritt also die „Bühne“ und ich fühle mich wie in einem Film. Wir gehen ein Stück weiter nach vorne – immer noch in respektvollem Abstand vor der weißen Linie – und da stehen sie, meine vier Jungs aus Frankfurt, unsere Jungs. Zum Greifen nah. Sie fangen an zu spielen und es ist unfassbar. Immer wieder drehe ich mich ungläubig zu Oli um, der die Situation genauso wenig fassen kann wie ich. „Surreal“ ist glaube ich das Wort, das an dem Abend am häufigsten zwischen uns fällt. Ich gerate immer näher an die weiße Linie und plötzlich stehe ich direkt in der ersten Reihe. In der Mitte. Direkt vor Kevin. Wahnsinn, welche Kraft er in die Songs legt, wie unglaublich das aus dieser Nähe aussieht. Wie konzentriert Pe und Gonzo ihre Instrumente bearbeiten und wie Stephan immer wieder breit grinst. Die Jungs strahlen eine Freude am gemeinsamen Spielen aus, das ist unbeschreiblich. Zwischendurch reißen sie Witze, die Stimmung ist fantastisch. Man merkt ein klein wenig die Anspannung aber auch ganz viel von der Euphorie vor den vier gigantischen Konzerten.

Ich merke, dass es ein mulmiges Gefühl ist, so nah an den vier zu sein und dabei ihre Lieder mitzusingen. Das ist nicht so wie auf einem Konzert, wo sie dich anschauen und jeden anderen der Tausend, Zehntausend oder Hunderttausend meinen könnten. Hier stehen ca 80 Leute. Wenn die Jungs dich anschauen, dann meinen die dich. Dass dieser Umstand auch peinlich werden kann, bemerke ich bei „Wenn wir einmal Engel sind“. Erst mutig den Weidner anschauen beim Mitsingen und dann peinlich berührt zur Seite schauen, wenn er in meine Richtung guckt. Ich fühl mich wieder wie 13, herrlich.

Irgendwann ist die Show leider zu Ende, wir rollen mit Hilfe der ersten Reihe einmal das La Familia Banner aus und dann versuchen wir uns zu sammeln und zu begreifen, was wir da grade gesehen haben. Während wir damit noch beschäftigt sind, steht plötzlich Kevin bei uns. Oder wir bei ihm. Die Erinnerungen an diesen Abend sind nicht ganz klar, eher wie an einen Traum. Jo bekommt die Gelegenheit mit Kevin zu sprechen und nachdem wir diesem erklärt haben, dass Jo ihn nicht sehen kann, nimmt er spontan seine Hand und sagt „aber er kann mich fühlen“. Die beiden können noch ein paar Worte wechseln und ich entdecke Dennis und muss ihn einfach noch mal umarmen und mich dafür bedanken, mir dieses unfassbare Ereignis ermöglicht zu haben. Und auch bei Sarah kann ich mich dafür bedanken.

Wir entscheiden uns, nach draußen zu gehen. Vor dem Gebäude entdecken wir dann auch direkt Stephan, wie immer von einer Menschentraube umgeben. Pe steht etwas freier da und wir entschließen uns, ihm mal Hallo zu sagen.

DU bist also der Jo!?

Pe Schorowsky

Auch in diesem Jahr haben wir uns für den Hockenheimring „Foren-LaFamilia-Shirts“ drucken lassen und die Idee kam auf, auch die vier Jungs mit einem dieser T-Shirts zu bedenken. Wir gehen also auf Pe zu und ich muss sagen, er hat mich an diesem Abend mächtig beeindruckt. Er hat eine Ausstrahlung, das ist unglaublich. Total offen, freundlich, positiv, man hat überhaupt keine Hemmungen mit ihm zu sprechen, ganz im Gegenteil, man möchte ihm am liebsten den Arm um die Schulter legen, ein Bier mit ihm trinken und seine Lebensgeschichte erzählen. Wir übergeben ihm sein Shirt und Jo bittet ihn um ein Autogramm. Als Pe auf seinem Shirt liest, wer vor ihm steht, erkennt er ihn direkt von den Einsendungen für die Soundcheck-Aktion.

Er unterschreibt mit dem Hinweis, dass Jo die Unterschrift zwar nicht sehen, aber jetzt spüren könne auf dessen T-Shirt. Später wird er sich von ihm mit den Worten „Jo, machs gut, es war mir eine Ehre!“ verabschieden. Ein klasse Typ! Ein Gruppenfoto lässt er auch noch gerne mit sich machen und dann ziehen wir weiter zu Stephan.

In die Traube eingereiht habe ich den aufgeregten Jo an der Hand. Es ist so schön zu sehen, dass jemand genauso überwältigt ist wie ich, zu wissen, dass dieser Moment demjenigen genauso wichtig ist wie mir. Nachdem Stephan sich zu uns umgedreht hat, überreichen wir auch ihm sein T-Shirt. Er nimmt es in Augenschein und sagt etwas wie „Wow, gehören wir jetzt zu euch?“ und ich erwidere „Naja, eigentlich gehören wir ja zu euch.“ da dreht er sich zu mir und sagt „ach komm her“ und umarmt mich (und die andern dann glaub ich auch). Ich bin ja nicht so die, die immer alle anquatschen oder anfassen oder was auch immer machen muss. Für mich sind die Onkelz als Band unglaublich wichtig, die einzelnen Musiker nehme ich für mich als normale Menschen wahr. Ich muss mich nicht zwingend mit ihnen unterhalten oder so, ich wüsste nicht mal über was. Aber dieser Moment war dann schon irgendwie irre. Immerhin war das der Weidner 😉

achso und ich hab schon gedacht, du bist einer von den Blues Brothers

Stephan Weidner

Jo möchte natürlich auch Stephan auf seinem T-Shirt verewigt wissen und fragt diesen nach einem Autogramm. Der ist sofort einverstanden und hält Jo sein Weinglas mit den Worten „Halt mal“ hin. Einen verdutzten Gesichtsausdruck von Jo und einem von FaPi und mir im Chor gesagten „Er kann dich nicht sehen“ später lacht Stephan und sagt (bezogen auf Jos Sonnenbrille) „achso und ich hab schon gedacht, du bist einer von den Blues Brothers“ welches von Jo mit „Kein Problem, ich seh das nicht so eng“ gekontert wird. Dann unterschreibt er auf dem T-Shirt und lässt bereitwillig Fotos mit Jo und dessen Schwester und FaPi und Kathleen machen.

Ja, ich telefonier auch selten mit fremden Männern.

Stephan Weidner

In der Zwischenzeit telefoniert Jos Schwester mit ihrem Mann, welcher auch gerne mit Stephan sprechen möchte. Nach kurzem Zögern fragt sie Stephan, der sogleich das Handy nimmt und drauf los telefoniert. Zum Abschied sagt er noch „Tschüss Schatz“ und küsst das Handy. Damit hat er die Lacher auf seiner Seite.

Es war total spannend, Stephan nach einem Onkelz-Auftritt zu sehen. War er nach dem W-Konzert total entspannt, ruhig und hat eine Gelassenheit ausgestrahlt, so ist er heute frech, hibbelig, rotzig, einfach onkelig.

DU darfst fühlen, komm her

Kevin Russel

Firma hat in der Zwischenzeit Kevin draußen stehen sehen und ihm schon einmal angekündigt, dass wir ihm gerne was übergeben möchten. Bei ihm angekommen überreichen wir ihm das T-Shirt und er freut sich total. „Boah, da bin ich jetzt echt gerührt, aber ich hoffe nicht in XXL“. Jo nutzt die Gelegenheit, um Kevin zu sagen, dass er ihn noch nie so gut und vor allem noch nie so lebendig gehört hat wie heute und Kevin fühlt sich sichtlich geschmeichelt. Er erwähnt dass er sich richtig gut fühlt und ordentlich abgenommen hat. Auf Jos Einwand, dass er das ja nicht beurteilen weil nicht sehen könne, schnappt Kevin sich ein weiteres Mal dessen Hand und drückt sie mit den Worten „DU darfst fühlen, komm her“ an seinen Bauch. Einer der wenigen Momente, in denen ich Jo sprachlos erleben darf, er bekommt grade noch ein „naja ich hab ja jetzt gar keinen Vergleich“ raus. Dann unterschreibt auch Kevin auf seinem T-Shirt.

Ich mache unterdessen Bilder von der ganzen Aktion und denke mir nichts böses, da schaut Kevin mich plötzlich an und sagt mit spielerischer Mahnung in der Stimme „Du sollst mich doch nicht fotografieren! Dafür kommst du in die Hölle! Ins Fegefeuer!“ und erhebt den Zeigefinger. Ich fühle mich ertappt und versichere ihm, dass ich selbstverständlich nur Jo fotografieren wollte und keine weiteren Bilder mehr von ihm schießen werde.

Kevin strahlt an diesem Abend eine Freude aus, man merkt ihm richtig an, wie gut es ihm geht. Er reißt Witzchen, nickt oder zwinkert dir noch mal zu, wenn er dich wieder irgendwo stehen sieht und lacht sehr viel.

Gonzo ist draußen nicht aufgetaucht, offenbar ist er noch in Vorbereitungen für die anstehenden Shows eingespannt. Stephan nimmt das T-Shirt für den Gitarristen an sich und verspricht, es für uns zu übergeben.

Ich nutze die Gelegenheit und rufe meinen Klon an, um ihm von diesem großartigen Abend zu berichten. Als ich ihn jedoch am Telefon habe fällt mir auf, dass ich ihm ja gar nichts groß erzählen darf. Ich bekomm es auch noch gar nicht in Worte gefasst und so kann ich eigentlich nur immer wieder stammeln wie unglaublich, wie unfassbar, wie geil, wie surreal dieser Abend war.

Wir stehen noch eine Weile zusammen und unterhalten uns, versuchen ein weiteres Mal zusammen zu begreifen, was wir da erlebt haben. Aber jeder schöne Abend geht einmal zu Ende und so machen wir uns irgendwann wieder auf den Weg zum Auto.

Mit den beiden Fundstücken (Olis Relikt aus der Vergangenheit und dessen Kumpel) fahren wir zurück nach Frankfurt und dank der vehementen Forderung der beiden Rückbänkler, die Onkelz laufen zu lassen können wir noch ein paar alte Traditionen aufleben lassen.

Damals, als wir noch Anfang 20 waren und ich noch meinen Scirocco hatte, war der Weg über die A661 auf den Feldberg hoch „unsere Strecke“. Einfach einsteigen und losfahren. Im Player (bzw im 6-fach (!) CD-Wechsler) immer die „Hier sind die Onkelz“ und auf der Autobahn dann immer die Forderung von einem der Mitfahrer „erst die acht und dann die neun“. Ich wähle also das entsprechende Album auf meinem Handy und spiele. Erst die Acht. Und dann die Neun. Oli dreht das Radio auf und wir grölen mit. Wie in alten Zeiten, nur mit vertauschten Rollen – diesmal er als Fahrer und ich als Beifahrer. Und ein besonderes Schmankerl habe ich mir auch noch aufgehoben. Als das nächste „Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben“-Schild auftaucht, drücke ich auf Play und Oli aufs Gas. „Sie hat nen Motor“ dröhnt aus den Boxen und wir fliegen über die Autobahn. Wie früher.

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