Freunde von Niemand – 02.12.2017, Nachtleben Frankfurt

Auf den heutigen Tag hab ich eigentlich seit der Ankündigung Bock. Nachmittags shoppen, abends Musik. Die Freunde von Niemand, Unfair Athletics, das Nachtleben und ein Popup-Store. Wow, Fremdwörter, nochmal langsam.

Ein Popup-Store ist ein kurzfristiges und provisorisches Einzelhandelsgeschäft, welches vorrübergehend in leerstehenden Geschäftsräumen betrieben wird. Die Freunde von Niemand haben sich hierfür das Nachtleben in Frankfurt ausgesucht und zu diesem Anlass eine UNFRxFVN Cross-Merch-Jacke in Zusammenarbeit mit Unfair Athletics auf den Markt geschmissen. 

Unfair Athletics ist nach eigener Aussage ein Classic Streetwear Label für Männer, eine echte Marke auf und von der Straße – rough, selbstbewusst und eigenwillig – passt also gut zu FvN. 

Um 15 Uhr soll der Store am heutigen Samstag seine Türen öffnen, die Jacke ist auf 333 Exemplare limitiert. Mit dem Kauf dieser Jacke erhält man außerdem Zutritt zu dem am Abend stattfindenden Konzertes des Frankfurter HipHop Labels. Entsprechend rechtzeitig machen wir uns also auf den Weg und sind etwa eine halbe Stunde vor Freigabe der Treppe vor Ort, diese vertreiben wir uns bei Milchkaffee und Pfefferminztee. Um kurz nach drei kommt Bewegung in die Schlange und auch wir begeben uns auf den Weg nach unten. Ein bisschen gespannt bin ich schon, wie die Jungs das Ganze aufgezogen haben. 

Im Keller begrüßt uns Musik von Haftbefehl, Shirts, Pullover, besagte Jacke und anderer Merch hängen aus, zudem gibt es zwei Verkaufsstände, welche sich strategisch günstig gegenüber liegen. Als erstes erblicke ich Face und Bosca, die sich vor geraumer Zeit oben an der Menschenmenge vorbeigeschlichen hatten und in den Keller gelangt sind. Dann kommt uns Vega filmenderweise entgegen, wie wir seinen Bemerkungen mehrfach entnehmen können ist er gerade live auf Instagram. Unter den Anwesenden treibt sich auch ein Mitarbeiter von Backspin.tv herum, wenn ich mir so die Bilder auf deren Seite anschaue, könnte es Zino gewesen sein? Ich hab einfach keinen Schimmer haha. 

Der „Underground-Laden“ ist voll, weitere potentielle Käufer werden oben an der Treppe zurückgehalten bis die ersten den Keller mit ihren Waren glücklich wieder verlassen. Wir stellen uns natürlich auch an einem der Merchstände an und erstehen zunächst zwei Jacken (und damit Zutritt zum Konzert, was eigentlich alles war, was ich wollte haha) und ein Shirt. Wir bekommen unsere Bändchen, freuen uns kurz und dann merke ich „Mist, du hast das Mixtape vergessen“. Zum Glück will auch der Hesse ein weiteres T-Shirt erwerben und so schicken wir ihn noch einmal in den Kampf am Merchstand (diesmal nehmen wir der Ausgewogenheit halber den anderen).

Während wir warten fällt uns auf, das so gut wie jeder seine neue Jacke bereits angezogen hat, man kommt sich ein bisschen vor wie im Stadion, alle tragen das Gleiche haha. Als auch die letzten Einkäufe getätigt sind, entschließen wir uns für weitere Kunden Platz zu machen und verlassen die Räumlichkeiten. 

Die Schlange oben ist noch recht lang, ich bin gespannt, wie viele Exemplare der Jacke heute den Besitzer wechseln werden (es waren am Ende glaub noch 27 die in den Onlineshop kamen) und wie voll das Nachtleben am Abend sein wird (sehr, sehr voll). Das Konzert soll gegen 21 Uhr starten, wir fahren also noch einmal nach Hause um uns seelisch und moralisch auf den Abriss vorzubereiten. 

Ziemlich pünktlich um neun betreten wir den Keller wieder. Er ist voll und warm. Noch auf dem Weg habe ich die These aufgestellt, 70% der Besucher heute Abend werden die neue Jacke tragen. 70 sind es vielleicht nicht ganz aber 50 dürften es locker sein. Begrüsst werden wir von den gewohnten Fangesängen, auf der Bühne tut sich noch nichts. Eine viertel Stunde später soll sich dies ändern. Anticops dröhnt aus den Boxen und Vega und Bosca betreten die Bühne. Das Lied hab ich mittlerweile wirklich schon oft live gehört, aber das „1, 2, 3 Bullenschweine“ habe ich mit Sicherheit noch nie so laut gehört wie heute. Es geht direkt weiter mit „Meine Feinde“, der geneigte Leser dürfte inzwischen wissen, dass ich dieses Lied immer wieder sehr schätze. Schätze haha … ich liiiiiiebe es. 

Meine Feinde sind die Jungs die deine Feinde nicht als Feinde wollen! 

Auch „Hip Hop & Rap“ von Vegas „Kaos“ darf natürlich nicht fehlen und dann präsentiert Bosca eines seiner neuen Stücke der „Fighting Hessisch“. Zu „Wir bleiben unter uns“, welches als dritter Song des Mixtapes bereits im Vorfeld inklusive Video veröffentlicht wurde kommt auch Face (mit Sonnenbrille) auf die Bühne, was in aller Regel heißt, das Abrisslevel wird noch einmal erhöht. Die Stimmung ist heute Abend ohnehin mega. Insgesamt kann man sagen, dass die Stimmung auf FvN Konzerten immer gut ist, aber heute Abend ist es einfach noch mal eine Nummer krasser. Was unter anderem auch daran liegen kann, das heute einfach nur Leute hier sind, die bereit waren, 80€ für eine Jacke zu zahlen (die zugegebenermaßen wirklich nice aussieht). Niemand der „mal mitgeht“ oder ähnliches, alles einfach nur Fans. Und die sind verdammt gut drauf. 

Bosca erklärt, dass die Setlist spontan eine Stunde vor dem Gig entstanden ist und sie einfach alles bunt gemischt haben, alt, neu, Vega, Bosca, Face … Timeless steht heute Abend leider in Essen auf der Bühne und fehlt mir tatsächlich. Bosca präsentiert als nächstes „Für die Gang“ von der „Parkplatzmusik 1“ und Face legt sein „Mit euch“ von der gleichen EP nach. Inzwischen hat irgendjemand Bosca eine Medaille umgehängt. Nach dem Song klärt sich auf, das diese auf einem weihnachtlichen Fussballturnier gewonnen wurde und Bosca erklärt sich bereit auch weitere Auszeichnungen entgegen zu nehmen. Vorher hat jedoch erst mal sein Song „Traumhafte Welt“ (ebenfalls vom „Fighting Hessisch“) Premiere. Mit auf der Bühne ist auch Rami Hattab, welcher den Refrain singt. Und der klingt unglaublich fett. Heilige Scheiße, was für eine Stimme. Der Song kann auch was, gefällt mir mit am besten auf dem Mixtape. (Die EP von Rami Hattab hab ich mir im Anschluss erst mal bei iTunes gekauft und den Kauf auch nicht bereut. Sehr angenehme Stimme, tolle Musik – und eher meine Richtung haha). 

Jetzt bekommt auch Vega wieder etwas zu tun, denn nun steht Boscas „Kings im Rapgame“ an, welches sich auf seinem letzten Album „Cobra 3“ befindet und in dem auch Vega einen Part hat. Das Nachtleben wird immer heißer und neben mir entsteht ein Pogokreis. Im Grunde ist das aber auch einfach eine fantastische Location für so einen Gig. Düster, klein, niedrige Decken, das Ding wird ein Kochtopf. Dazu sowohl vor als auch auf der Bühne ein paar Bekloppte und der Abend wird gut. Auch Face darf noch mal ran und knallt zusammen mit Bosc die „Düsen auf den Tisch“. Neben mir geisteskranker Pogo, Face hat das Gefühl sich entkleiden zu müssen, bei „Constantine“ ist Vega im Hintergrund mit der Sonnenbrille unterwegs und dann kommt „180“. Pogo. Nein, POGO!! Wie die Blasen in einem Topf voll kochendem Wasser springen die Fans umher und vor allem gegeneinander. Zuvor gedacht es sei nicht möglich wird der Keller noch mal ein paar Grad wärmer. 

Uns wird eine kurze Pause gegönnt, die durch Gesänge über Tiere und Hass überbrückt wird, dann dürfen wir das etwas ruhigere „Lampenfieber“, wieder von der „Cobra 3“, genießen. Und im Refrain wird bis an die Decke gehüpft (was hier unten locker möglich ist).

Gemeinsam mit Vega bringt Bosca dann wieder ein Stück von seinem neuen Mixtape, der Song zu Ehren von 20 Jahren Ultras Frankfurt mit dem Namen, der genau das aussagt, „20 Jahre UF“. Die beiden besten Parts des Songs dürfen wir live erleben auch wenn Vega seinen im Nachinein noch etwas wackelig findet. Auf „Fighting Hessisch“ geben sich noch Celo, Abdi und Hanybal die Ehre, diese sind heute jedoch nicht im Start, was ich persönlich nun nicht soooo schlimm finde, da ich zumindest Celo und Abdi nur schwer ertragen kann.  

Während im Publikum Jägermeister verteilt wird, weisen die Jungs auf Boscas unfassbar tolle Jägermeister-Kette hin. Vega sucht Unterstützung für den nächsten Song, da er sich auch bei diesem noch etwas wackelig fühlt, aber keiner hört ihm zu, alle sind auf den Jägermeister fixiert. Bosca sagt, Leute im Publikum werden auf Händen getragen und vergleicht die Freunde von Niemand Gigs begeistert (und natürlich mit einem Augenzwinkern) mit Rock am Ring. Die Masse hat sich irgendwann beruhigt und kann nun Vega die gewünschte Unterstützung bei „Lift your Head up“, ein Song von seinem Mixtape „Dreggisch & Roh“ geben. Ein sehr starker Song, für mich vielleicht der Stärkste auf Vs Mixtape. Hatte mich bereits auf dem Campus-Gig sehr drüber gefreut als er gespielt wurde. Die Line „Frankfurt ist Chef“ wird nur noch von „Denn seit knapp 50 Jahren gibt’s für Nazis aufs Maul (in der Mainstadt)“ übertönt und das ist heute so unfassbar mächtig laut zu hören hier im Nachtleben. Es folgt wieder etwas von Boscas Mixtape, „Tauchen wir ab“ und der Wiesbadener weist bei der Gelegenheit auf seine Releaseparty am 30.12. diesen Jahres ebenfalls im Nachtleben hin. 

Nach diesem Stück bittet Vega wieder um Ruhe. Er möchte, dass wirklich alle leise sind, damit jeder die Chance hat, das folgende doch eher unbekannte Lied zu erkennen. Der DJ dreht auf und als das Intro von „1312“ zuhören ist, ist es aus mit der Ruhe. Sie schieben direkt „Dafür brauch ich kein Mic“ hinterher und im daraus resultierenden Pogo scheint ein Handy abhanden gekommen zu sein. Zumindest wird eines auf der Bühne abgegeben und Bosca versucht den Besitzer zu finden, indem er die auf dem Display angezeigten Gruppennamen wie „Gummipuppenadler“ vorliest. Ob das Handy wieder zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgefunden hat, kann ich nicht sagen. Aber die Jägermeisterkette ist in der Zwischenzeit zerbrochen und so wirft Bosca die kläglichen Reste ins Publikum und holt Hadi Bougart (oder wie mein Handy sagen würde „Gädicke Nougats“) auf die Bühne, der einen seiner Songs performt. Ich kenn den Titel leider nicht, bzw kannte auch den Song vorher nicht aber ich hab mir eine Line gemerkt, die ich lustig fand „ich hab am Bahnhof gebattlet, du hast am Bahnhof gebettelt“. Also ich glaub, das war ne Line von ihm haha, vielleicht hab ich sie auch komplett falsch verstanden aber dann hab ich eben jetzt ne Über-Line kreiert xD 

Ich bin ein Frankfurter mit Leib und Seele, Leid und Elend, Teil meines Lebens

Wir haben inzwischen kurz nach zehn und Bosca möchte wissen, ob wir Bock auf einen richtigen Freunde von Niemand Song haben. Haben wir und wir bekommen „2 Sekunden Pt.2“. Nach „Was glaubst du was passiert?“, der ersten Veröffentlichung aus „Fighting Hessisch“ verlassen die Jungs erst mal die Bühne.

Was folgt sind Zugaberufe und natürlich Fangesänge. Zwischendurch wird noch gefragt, was an jeder Ecke steht und auch Vega stellt sich die Frage aus dem Off – und erhält selbstverständlich eine Antwort. Wenige Minuten später sind alle wieder auf der Bühne und wir bekommen den „König ohne Krone“ zu hören. Auch auf der Bühne scheint es sehr sehr warm zu sein, denn Boca steht mittlerweile mit freiem Oberkörper da. Was dann folgt ist eine der intensivsten Situationen, die ich auf Konzerten erleben durfte. Am Ende der „Jungs von der Bushalte“ bricht Vega immer wieder ab und ich glaube zunächst, er hat den Text nicht drauf. Dann aber sieht man seinen Blick, seinen Gesichtsausdruck und weiß, den Text kann er. Er kann ihn nur nicht aussprechen. Er sieht mitgenommen aus, seine Augen glitzern, seine Jungs nehmen ihn in den Arm. Er will sich erklären, findet nicht die richtigen Worte, ringt um Fassung. Die meisten im Raum wissen vermutlich ohnehin bereits, um was es geht. Schließlich bringt er eine knappe Erklärung heraus. Einer seiner engsten Freunde liegt im Krankenhaus und kämpft dort seit einigen Tagen um sein Leben. Er entschuldigt sich, dass er manche Lines grade einfach nicht rappen kann und geht dann unter lauten „Vega, Vega“-Rufen aus dem Publikum ins Backstage. Die ebenso ergriffenen Bosca und Face nehmen das Zepter in die Hand und fordern das Publikum auf, Vegas Outro mit ihnen zusammen so gut es eben geht zu performen. Das Outro von Vincent ist ja eh immer eine recht emotionale Sache auf den Konzerten aber heute Abend …. das war einfach zu krass. Meeeeeeega. Jeder, wirklich jeder hat den Text beigetragen, den er konnte, das Ding so laut wie möglich mitgerappt. Die Stelle über Bosca, phänomenal, das ganze einfach ein so unfassbares Brett das es mir um jeden Leid tut, der diesen Moment nicht miterlebt hat. Nach dem Song gehen auch Bosca und Face von der Bühne und ich verlasse den Keller, finde die anderen beiden oben (unsere Wege hatten sich im Verlaufe des Konzertes getrennt) und wir treten, ich für meinen Teil immer noch völlig geflasht, die Heimreise an. 

Der heutige Abend hat mir mal wieder gezeigt, was ich an Musik so schätze. Diese Freude in den Augen aller an diesem Abend, über das dargebotene, darüber ein Teil davon sein zu dürfen. Und diese Emotionen am Ende. Ich hab eigentlich mit HipHop nichts am Hut, komme aus dem Rockbereich und mein Herz gehört musikalisch eigentlich seit ich 13 bin den Böhsen Onkelz. Ich bin die gesamte Memento-Tour gefahren, Admin im Onkelz-Forum dunklerort.com und habe wirklich viele viele Stunden meines Lebens mit deren Musik und in deren Kosmos verbracht. Bei Freunde von Niemand finde ich eine ähnliche Magie, die mich an den Onkelz schon immer fasziniert. Die Mentalität, der Pathos, das wir und unsere Fans gegen den Rest der Welt. Ein bisschen was davon habe ich bereits in den 90ern (und auch später) bei RHP bzw Moses Pelham erlebt. Generell fasziniert mich diese Art der Musik aus Frankfurt, auch wenn sie auf den ersten Blick doch unterschiedlich scheinen haben Moses, FvN und die Onkelz doch einiges gemeinsam. Frankfurter Musik ist ehrlich. Sie ist direkt. Sie leidet und sie feiert. Ich liebe Musik und ich liebe es wenn ich sie live erleben kann, aber für niemanden außer den Onkelz oder die Freunde von Niemand habe und würde ich unzählige Kilometer in Kauf nehmen um diesen Spirit, diese Magie und diese Lieder live erleben zu können.  

 

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