Die Hosen endlich mal wieder live. Ist lange her bei mir, wenns nicht sogar 2009 aufm Sonisphere war …. übrigens am Hockenheimring. Egal, 2017, Laune der Natour. Rebell wie ich nun mal bin, ziehe ich meine Onkelz-Schuhe an auch wenn ich natürlich weiß, das die Fehde zwischen den Hosen und den Onkelz schon lange keine mehr ist. Der Hesse und ich treffen Pepper und Sin am Hauptbahnhof, wo sich die Jungs mit einigem Bier und ich mit Rindswurst und Pommes stärken. Pepper macht zwischendurch Bekanntschaft mit der Bahnhofssecurity und präsentiert einen Gebissabdruck auf seiner Hand, ein ganz normaler Abend am Frankfurter Hauptbahnhof halt.
Irgendwann ist es dann soweit, wir machen uns auf den Weg zur Halle. Tschänny und Begleitungen sind bereits dort, drinnen und haben für Pepper und Sin Plätze auf dem Rang gesichert, während der Hesse und ich uns in den Innenraum wagen werden. Daher trennen sich unsere Wege auch am Aufgang zum Rang und wir begeben uns durch die Flügeltüren in das innerste Innere der Festhalle. Im Vorraum sind mir bereits die Oxfam-Stände aufgefallen und auch in der Halle laufen über den Monitor „Werbevideos“ über die Zusammenarbeit der Toten Hosen mit der internationalen Nothilfe- und Entwicklungsorganisation. Gemeinsam kämpfen sie schon seit Jahren unter anderem gegen die Ausbeute bei der Obsternte.
Als Vorgruppe bekommen wir „The Adicts“ zu sehen, sie sind (laut ihrer Facebookseite) eine Punk-Power-Rock-Bang-Bang-Oomph-Band aus England. Ich hab sie mir ehrlich gesagt nicht so genau angehört, aber ich glaube sie waren ganz ok. Und sie haben aufgeblasene Bälle durch das Publikum hüpfen lassen. Nachdem die Jungs nach etwa 30 Minuten von der Bühne sind, heißt es noch mal warten. Vom Band läuft unter anderem Rise Against, was mich direkt an das Konzert vor zwei Wochen denken lässt.
Die Fans singen „You’ll never walk alone“ und als das Intro-Video auf der Bühne angezeigt wird, geht beim Anblick des Straßenschilds „Frankfurt“ ein Jubel durch die Menge. Dann wird das „Bis zum bitteren Ende“-Banner hochgezogen und der erste Song „Urknall“ wird gespielt. Ich kenne ihn nicht.
Die Stimmung in der Halle ist fantastisch, alle machen mit. Es folgt „Auswärtsspiel“, da kann ich den Text wenigstens etwas mitstammeln. Wir stehen etwas weiter hinten, mittig, in der Nähe des FOH. Seitlich vorne fand ich den Sound zu unangenehm. Das alte Leid der Location. Neben mir die Frau geht komplett ab, zu jedem Lied, das Publikum ist bunt gemischt, von acht bis achtzig ist einfach alles dabei. Ich erinnere mich zurück an mein erstes Hosen Konzert. 23.04.1994, die „Reich & Sexy – Kauf MICH!“-Tour, ich süße 13 Jahre, mein Papa grade mal drei Jahre älter als ich es heute bin. Der hat mich nämlich zu diesem Konzert begleitet. Die Karten hatten wir glaube ich gewonnen, was aber passte denn ich hörte die Band zu diesem Zeitpunkt bereits (glaub ich zumindest haha). Ich weiß noch wir standen vorne rechts, etwas am Rand aber noch in der Menschenmenge. Als die Hosen loslegten erinnere ich mich nur noch daran, wie die Kontrolle über meinen kleinen Körper von der hüpfenden Masse um mich herum übernommen wurde. Ohne meinen Teil dazu beizutragen, hüpfte ich auf und ab und wogte hin und her. Dann wurde aus dem sanften Meer ein Pogokessel. Ich erinnere mich noch, wie ich zu Boden ging und noch bevor ich Angst bekommen konnte von mehreren Menschen wieder auf meine Füße gehoben wurde. Ich glaube, ich wurde dann zurück zu meinem Papa geschwemmt und vermute, wir haben uns das Konzert dann von etwas weiter hinten oder seitlich angeschaut. Ich kann mich auf jeden Fall noch an diesen Pogo-Moment erinnern als wäre es eben erst passiert. Meine Faszination darüber, wie selbstverständlich auf mich geachtet wurde und wie alle auf mich aufgepasst haben, das ich heil da raus komme. Apropos kommen, in die Bahn später kamen wir nicht rein, das ist auch noch so ein Moment an den ich mich total gut erinnere. Wie die Bahn Richtung Oberrad einfährt und sie so voll ist das man einfach nicht einen Menschen noch hineinbekommen hätte. Ist am Stadion völlig normal, für mich damals war es jedoch das erste Mal das ich sowas gesehen habe und ich war komplett überfordert haha.
Egal, zurück ins hier und jetzt, auch „Laune der Natur“, „Das ist der Moment“ und „Die Schöne und das Biest“ sind mir nur entfernt bis gar nicht bekannt, aber dann wooooohoooo „Liebeslied“. Ganz weit oben auf meiner Liste toller Lieder und erinnert mich bei jedem Hören an Kerstin und alkoholschwangere Nächte in unserer Stammkneipe in der wir zu den Klängen dieses Liedes „getanzt“ haben. Das ist einfach von der Melodie her ein absoluter Knallersong, der macht gute Laune, man will wild herumtanzen, er ist einfach richtig gut. Direkt danach „Niemals einer Meinung“, „Kauf MICH!“ dürfte mein erstes Album gewesen sein, das Lied hab ich damals rauf und runter gehört. Campino geht ins Publikum, lässt dieses mitsingen, es klingt irre. Dann der nächste Kracher, „Bonnie & Clyde“, großes Kino und ebenfalls Soundtrack vieler Kneipenbesuche. Bei „Altes Fieber“ bin ich leider nicht so textsicher wie ich es gerne wäre, aber was die Halle da an Stimmung zaubert …. ich hab wirklich Gänsehaut. Da ist ein Zusammenhalt in der Luft zu spüren, während des Liedes sind alle Menschen hier im Saal irgendwie eins. Lässt sich kaum beschreiben, wenn man es nicht erlebt hat. Der ein oder andere kennt das Gefühl vielleicht von Onkelzkonzerten, nur ist es hier einfach eine Durchweg postive Stimmung. Während sich das Verbundenheitsgefühl bei den Onkelz in erster Linie aus gemeinsamen Schicksalen oder harten Wegen und der „keiner mag uns, daher halten wir zusammen“-Mentalität ergibt hat man bei den Hosen das Gefühl, es ist einfach nur Freundschaft, was die Menschen in dem Moment verbindet. Ehrliche, tiefempfundene Freundschaft.
Zack, der nächste Hit für mich. Wort zum Sonntag. Vielleicht sogar DAS Lieblingslied von den Hosen. Also für mich. Text genial, Melodie genial, Campinos Stimme dazu genial. Scheinen jedoch nur noch wenige Leute zu kennen, sehe zumindest weniger Leute mitsingen. Campino erzählt, das sie das Lied gestern zwar nicht gespielt haben, es heute aber dann in der Setlist haben wollten. Was bin ich doch nur für ein Glückspilz. Das folgende Stück „Energie“ kenne ich jedoch wieder nicht.
Zu manchen Songs holen die Jungs ein paar Streicher auf die Bühne, so auch bei dem nun anstehenden Song. Nach Campinos Angaben wurde „böser Wolf“ seit über zehn Jahren nicht mehr live gespielt. Ich finde die Songauswahl sehr krass, was nicht negativ gemeint ist. Er behandelt einfach ein heftiges Thema und ist jetzt nicht unbedingt ein Live-Party-Song. Auch einer der Songs, welche ich aus meiner Jugend in Erinnerung behalten habe. Auch Campino scheint von dem Song ergriffen, aus der Ferne schwer zu erkennen aber es sieht fast so aus, als habe er Tränen in den Augen. Verständlich, der Text geht wirklich nahe. Zu „Ertrinken“, welches ich ebenfalls nicht kenne, bleiben die Streicher noch auf der Bühne. Die Stimmung in der Halle ist immer noch unglaublich gut und mir geht durch den Kopf, dass ich das Konzert gerne an einem warmen Sommertag als Open Air erleben würde.
Der nächste Song „Pushed Again“ zählt wieder zu meinen Top Ten. Ein fantastischer Text, allerdings hätte ich erwartet, die Halle geht mehr auf den Song ab. Naja, vielleicht weiter vorne. „Unter den Wolken“ gehört dann wieder nicht so zu meinen Stärken und dann packt Campino auf der Bühne einen Camcorder aus. Er erzählt eine kleine Geschichte in die Kamera und erklärt, dass sie bei jedem Konzert Aufnahmen machen und sich diese im Januar dann als Weihnachtsfeier ansehen wollen. Das Publikum wird gebeten, sich hinzusetzen. Und dann, als wirklich alle in der Halle sitzen, spielen sie „Steh auf, wenn du am Boden bist“. Hätte man sich auch denken können haha. Auf der Bühne wird ein Fan mit Onkelz-Aufnäher eingeblendet. Unfassbar wie sehr sich sowas auch nach Jahren noch ins Hirn einbrennt. Ist ja wie konditioniert. Bei „Wannsee“ müssen wir an Sin oben auf der Tribüne denken, der uns bereits sein Leid bezüglich dieses Ohrwurms geklagt hat. Jetzt klärt Campino uns über seine Liebe zu Adventskalendern auf und gesteht, ohne Türchen gehe bei ihm nichts. Und deshalb möchte er nun auch eines mit uns öffnen. Die Streicher erscheinen wieder auf der Bühne und spielen Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“. Die müssten vor „Hier kommt Alex“ Beethoven spielen, das wär ein Knaller. Wir hören als Tür Nummer zwei (da der kommende Tag kein Tourtag ist) noch den „Highway to Hell“ ebenfalls mit den Streichern und dann bleiben diese noch für den „Weihnachtsmann vom Dach“, auch ein Lied welches knapp „nach meiner Zeit“ rauskam. Apropos „Highway to Hell“, passend dazu hatten wir auf dem Weg hierher erst eine Diskussion darüber, wer die größere Rockband sei, Metallica oder ACDC. Der Punkt hier geht wohl an letztere. Mit „Paradies“, „Wünsch dir was“ (unfassbar guter Livesong) und „Hier kommt Alex“ (leider ohne Beethoven) geben die Herren dann noch mal richtig Gas – und ich auch, denn hier sind wir wieder in meinen Gefilden unterwegs – und dann gehen sie gegen 22:35 Uhr zum ersten Mal von der Bühne. Das Publikum vertreibt sich die Zeit mit dem Gesang über eisgekühlte Getränke und Brote (Schinken und Ei) und kurze Zeit später kommt die Band mit „All die ganzen Jahre zurück“. Ich freu mich wie Bolle und krieg mich nicht mehr ein, der Song steht relativ dicht hinter dem „Wort zum Sonntag“. Die Streicher kommen zu „Alles passiert“ und „Das Mädchen aus Rottweil“ noch mals auf die Bühne und Campino freut sich, dass endlich mal echte Musiker bei einem Hosenkonzert auf der Bühne stehen. Noch während des Songs über das Mädchen stellt er die Band vor. Im Anschluss beschwert sich der Leadsänger darüber, das das Publikum immer nur wegen der Sauflieder kommen. Alle wollen immer nur Jägermeister hören. Dabei hätte doch alles ganz anders angefangen. Andächtig lauschen wir den Klängen von „Eisgekühlter Bommerlunder“ (Bommerlunder eisgekühlt). Beim „Schönen Gruß, auf Wiedersehn“ wird noch immer der obligatorische „Hosentanz“ getanzt was mich sehr erfreut, dann ist die Bühne gegen 23:00 Uhr wieder leer. Das Publikum singt, das Licht bleibt aus und kurze Zeit später ist wieder Leben auf der Bühne. „Draußen vor der Tür“ ist mal wieder nicht meine Stärke, klingt aber gerade im Refrain wenn alle mitsingen richtig toll. Wieder ein Gänsehaut-Moment. Bei „Freunde“ bin ich leider auch unsicherer als ich es gerne wäre und merke vor allem, wie das Fernsehen mich geschädigt hat, da ich im Refrain wirklich aufpassen muss nicht in die Melodie von Mark Forsters „Chöre“ zu rutschen xD Bei „Tage wie diese“ geht es mit der Gänsehaut auch gleich weiter, alle geben noch mal alles, Konfettikanonen feuern von der Stage und vom FOH in die Menge, es wird noch mal eine riesen Party gefeiert bis dann mit „You’ll never walk alone“ das letzte Lied des Abends gespielt wird. Auf dem Monitor an der Bühne sieht man einen Kickers-Schal – eine Schande. Die Streicher stehen auch noch mal auf der Bühne und gegen 22:20 ist diese wieder leer. Wir bewegen uns schon mal ein Stück Richtung Ausgang. Das Licht bleibt aus. Und dann kommt Campino noch mal auf die Bühne. Oha. Ein Lied noch, aber nur, wenn wir es keinem sagen. Na klar, ist doch Ehrensache. „Liebesspieler“ ist noch mal ein feines Lied zum Ausrasten, übrigens eins wo ich lange nicht auf den Text gehört habe. Umso verblüffter war ich, als ich es das erste Mal getan habe haha. Nach „Opel-Gang“ folgt noch „Du lebst nur einmal“ und den Abschluss bildet dann der Klassiker „Alles aus Liebe“ – auch schon unzählige Male vor allem betrunken gegröhlt. Campino surft noch ein wenig durch die Crowd und dann ist das Konzert nach 36 Liedern gegen 23:30 endgültig zu Ende. Wow. Das Licht geht an und wir begeben uns zum Ausgang.
Die Hosen waren lange Zeit für mich die beste Liveband, auf die Frage „letztes Konzert bevor du stirbst?“ hätte ich ohne mit der Wimper zu zucken mit „Hosen“ geantwortet. Und heute weiß ich wieder warum. Die Stimmung in der Halle ist einfach unfassbar gut, jeder gibt alles, egal wo man steht, vorne hinten mitte – völlig egal, um einen herum ist Party. Die Band gibt alles, das Publikum gibt alles. Direkt mal schauen, wann wir das nächste Mal gehen.